Von sauren Äpfeln, Schönfärbereien und einer Föifer-und-s-Weggli-Frage – Bericht der Fraktion FDP.Die Liberalen / Die Mitte aus der Sitzung des Gemeinderats vom 17. April 2023

Veröffentlicht am Posted in GRBerichte, Matthias Bickel

Die Sitzung startet, wie gewohnt, mit Mitteilungen und (überlangen) persönlichen Erklärungen, wo man sich unter anderem über das Verbot der eTrottinetts in Paris freut und den Stadtrat auffordert, diesem Beispiel doch unbedingt zu folgen.

Nun ist aber unser Jürg Krauer an der Reihe: Als noch-Ratspräsident resümiert Jürg Krauer mit seiner Abschlussrede sein Amtsjahr als höchster Bürger unserer Stadt: „Wir alle sind Botschafter unserer Stadt“ war Jürg Krauers Aufruf in seiner Antrittsrede vor einem Jahr. Diesem Leitspruch folgte er durchs Jahr hindurch selber sehr gerne, wie er den Gemeinderat an manchen Anlässen vertreten und viele schöne Begegnungen machen durfte. Post-Corona machte es möglich.

Nun geht es zur Wahl der neuen Präsidien…

Präsident des Gemeinderats
Gewählt wird Patricio Frei (Grüne) mit 26 Stimmen.
Patricio Frei hält seine Antrittsrede. Es erfülle ihn mit Stolz, das Amt ausführen zu dürfen. Er verstehe sich für das kommende Jahr als Dienstleister des Gemeinderats, damit die Geschäfte reibungslos über die Bühne gehen können. Patricio Frei wolle sich zudem „bereichern“… [Schmunzeln im Saal] … im Kontakt mit der Bevölkerung natürlich. Er möchte im kommenden Jahr niemanden enttäuschen und bedankt sich bei seinem Umfeld für die Unterstützung.

Mit 32 Stimmen wird Hans Denzler (SVP) zum 1. Vizepräsidenten gewählt und Ali Özcan (SP) folgt ihm als 2. Vizepräsidenten mit der gleichen Stimmenzahl.

Unsere unerwartete „Sprengkandidatin“ Andrea Grob erhält als 2. Vizepräsidentin eine Ehrenstimme. Ein Fingerzeig an eine glorreiche, „bockige“ Zukunft?!

Als Stimmenzähler werden Jürg Krauer (FDP), Anita Borer (SVP) und Ursi Räuftlin (GLP) per Akklamation „einstimmig“ gewählt.

Den Auftakt ins neue Amtsjahr machen zwei saftige, Jahrzehnte alte Geschäfte, die das Potenzial für viel Redestoff haben und den neuen Präsidenten wohl fordern werden…

Weisung 19/2022 des Stadtrates: Volksinitiative „Kulturland-Initiative gegen die Moosackerstrasse

Die viel diskutierte Moosackerstrasse liegt wieder einmal auf dem Tisch. Jetzt, weil die Grünen mit ihrer kommunalen(!) Volksinitiative die kantonale(!) Strasse verhindern wollen.

Als wieder normales Ratsmitglied nutzt Jürg Krauer gleich die Chance und teilt mit seinem Referat gegen die Grünen aus – und dies zu Recht: Es sei nun schon die 3. unsägliche Initiative der Grünen, die als Wolf im Schafspelz daherkomme. Mit der Wald- und Grossriet-Initiative wurde das Ustermer Stimmvolk von der grünen Ideologie schon zweimal geblendet –  beim dritten Mal soll das nun aber nicht mehr passieren! Dass die Grünen sich von Ihrer engen Ideologie nicht trennen könne, sei bekannt – neu sei hingegen, dass weitere Parteien diese Doktrin nun auch mittrügen. Die Initiative ist schlichtweg der Todesstoss für ein attraktives Stadtzentrum.

Hans Denzler für die SVP/EDU sieht es ebenso, er liest den Grünen die Leviten; die Moosackerstrasse müsse im Richtplan bleiben. Ohne Moosackerstrasse sei kein verkehrsberuhigtes Stadtzentrum möglich. Die Fraktion sieht im umfangreichen Gegenvorschlag des Stadtrats jedoch ein Problem: das seien zu viele Details zum jetzige Zeitpunkt. Die Fraktion lehne daher Initiative und Gegenvorschlag ab.

Die GLP/EVP sieht in der Moosackerstrasse einen Beitrag zur Kanalisierung des Verkehrs. Der Minderheitsantrag der KPB sei zu einschneidend. [Er ist in vielen Punkten schärfer als der Gegenvorschlag des Stadtrats formuliert.] Die Fraktion unterstütze daher den Gegenvorschlag des Stadtrats.

[Über die Meinung der Grünen muss hier nicht weiter geschrieben werden.] Die SP schlägt differenziertere Töne ab; sie sieht die vielen Pros und Contras; die Fraktion ist aber uneins.

Paul Stopper ist mit dem Stadtrat nicht zufrieden; die Moosackerstrasse solle ganz gestrichen werden. Wenn die Moosackerstrasse dennoch gebaut werden soll, dann soll diese der Kanton tun – und nicht, dass die Stadt die Strasse abklassiere und übernehme und die Rechnung dann auch noch selber zahle. Wir sollten dem Kanton nun klipp und klar sagen, welche sinnvollen Massnahme er für die Stadt nun realisieren soll!

Der zuständige Stadtrat, Stefan Feldmann, verteidigt den Gegenvorschlag: Er bringe mehr Vor- als Nachteile und unterstütze die Absichten des STEK; das Ziel: der Stadtraum solle wieder der Bevölkerung zurückgegeben werden. Der Stadtrat aber wisse: der Gemeinderat stehe heute Abend von der berühmten de-Föifer-und-s-Weggli-Frage – in der Tat: keine einfach Aufgabe!

Zur Abstimmung:

In der Eventualabstimmung erhält der Gegenvorschlag des Stadtrates 21 Stimmen, der Gegenvorschlag der Minderheit der KPB 7 Stimmen.

Die Volksinitiative wird mit 9:25 Stimmen abgelehnt. Der Gegenvorschlag des Stadtrates wird mit 21:12 Stimmen angenommen.

Weisung 27/2023 des Stadtrates: Projektierungskredit von 1’166’500 Franken für die Gesamtsanierung der Liegenschaft Untere Farb und den Einbau des Stadtarchivs

Auch hier ein Geschäft mit noch längerer (Vor)geschichte…

Marc Thalmann führt in seinem Referat aus, weshalb wir in manchen Punkten mit der Weisung nicht einverstanden sind und sie als Schönfärberei betrachten. Wir sähen keine Gefahr, dass das Projekt auf Feld Eins zurückfallen werde, wenn der Projektierungskredit abgelehnt werden würde, betont Marc Thalmann, aber es könne auch nicht sein, dass die Kosten nicht mehr dem Vorschlag entsprächen, worüber das Stimmvolk abgestimmt hatte. Wir fordern daher die Rückbesinnung auf eine einfache Schenke und auf den Verzicht der Unterkellerung des Archivs.

Die Mehrkosten in der vorliegenden Weisung des Stadtrats spaltet den Rat. Die GLP/EVP will in den sauren Apfel beissen und das teure Projekt unterstützen. Auch die Grünen sehen in der unteren Farb ein Juwel im Stadtzentrum – wenn es auch teures sei. Paul Stopper kennt das Projekt seit 40 Jahren und ist seit Jahren gegen den Einbau eines Archivs in eine „Scheune“ und verstehe nicht, warum man Wohnraum für eine Beiz zerstöre, anstatt den vorhanden Wohnraum zu vergrössern. Die SP ist Feuer und Flamme für die Weisung des Stadtrats…

Der Rückweisungsantrag von Paul Stopper wird mit 24 Stimmen abgelehnt. So können über die Anträge von FDP/Mitte und SVP/EDU weiterhin abgestimmt werden.

Die zuständige Stadtpräsidentin, Barbara Thalmann, verteidigt die Weisung und verspricht, die Beanstandungen ins Projekt einfliessen zu lassen.

Antrag SVP/EDU
Ja: 15
Nein: 17

Antrag FDP/Mitte Dispo 2
Ja: 17
Nein: 16

Antrag FDP/Mitte Dispo 3
Ja: 17
Nein: 15

Schlussabstimmung über den geänderten Antrag
Ja: 23
Nein: 7

Für einmal wieder ein Sieg durch alle Linien für unsere Fraktion, einer schöner Auftakt ins neue Amtsjahr – möge es so weitergehen!

Für die Fraktion: Matthias Bickel / Isabel Eigenmann.